Jurten sieht man in Kirgisistan fast an jeder Ecke. Sie sind die mobilen Häuser der zentralasiatischen Nomaden. Um ein Holzgestell, welches im Boden verankert wird, werden mehrere Lagen Filz gespannt. Zur Isolierung und zum Schutz vor Wasser, wird die aüßerste Schicht mit Schafsfett einbalsamiert. An der Spitze der Jurte sieht man das «Tunduk», eine Art Rad, welches sich als Wappen auf der kirgisischen Flagge wiederfindet.
So wie in Las Vegas jeder mindestens einmal ins Casino gehen muss, verbringt jeder Tourist in Kirgisistan eine Nacht in einer Jurte. Nachdem ich nun schon 10 Tage im Land verweile und auf die Frage von Mitreisenden: «Have you stayed already a night in a yurt camp?» stets mit «no, not yet» entgegnen musste, war es Zeit für mich solch ein Camp aufzusuchen. Der Song-Kol bietet dafür die vielleicht schönsten Rahmenbedingungen des ganzen Landes. Der See liegt auf 3.000 Meter und ist umringt vom sattgrünen Weiden. Von Mai bis September eines jeden Jahres ist dies das Zuhause vieler kirgisischer Nomaden, deren Pferde, Schafe, Kühe, Ziegen und Yaks hier weitreichende Weideflächen vorfinden.
In «Tamga» am Yssykköl lerne ich David aus der französischen Schweiz kennen. Gemeinsam fahren wir nach Kochkor, gehen dort in das CBT Büro (eine Art kirgisisches Fremdenverkehrsamt) und buchen noch für den selben Tag, Transport und Übernachtung am Song-Kol See. Nach einem kleinen Snack und ein paar Besorgungen steigen wir in das Fahrzeug unseres Fahrers, der kurz hinter Kochkor eine mir nicht bekannte Art von Tankstelle ansteuert. Benzin ist hier ohnehin schon billig (unter 0,60 Euro), aber bei dieser Tanke wahrscheinlich noch preiswerter.
Wenig später verlassen wir die neu gebaute Hauptstraße und biegen ab, in Richtung Song-Kol. Je höher wir aufsteigen, desto schöner und grüner wird die Landschaft. Kurz darauf lerne ich die Nomadenfamilie kennen, bei der ich heute nächtigen darf. Die Sippschaft dürfe aus 10 Mitgliedern bestehen, so genau habe ich da nicht durchgeblickt. Drei ihrer vier Jurten überlassen sie Touristen und sichern sich so ein nettes Nebeneinkommen.
Den Nomaden scheint es hier an nichts zu fehlen. Kochgelegenheiten, Toilette, Dusche, Waschbecken, selbst einen Generator habe ich gesehen. Zum Abendessen bekomme ich frischen Fisch aus dem See serviert. Ich habe noch nie einen Fisch gegessen, der so wenig Gräten hatte. Dazu eine Kartoffel, Salat, Brot und Tee. Gott sei Dank kein Lamm oder Hammel. Natürlich durfte die hierzulande so verehrte, gegorene Stutenmilch «Kumys» nicht fehlen. Skeptisch habe auch ich davon probiert. Die Milch ist durchaus genießbar, sie hat einen tierisch, essigen Geschmack. Nomaden leben mit dem Lauf der Sonne und so ist kurz nach Sonnenuntergang Schlafenszeit.
Aufgrund der Höhenlage und des ständig pfeifenden Windes wird es Nachts, selbst im Hochsommer, bitterkalt. Letztes Jahr zur gleichen Zeit sollen 20 cm Schnee gelegen haben. Die mir reichlich zur Verfügung gestellten Decken und das Klima in der Jurte sorgen dafür, dass ich nicht frieren muss. Trotz der fehlenden Matratze, habe ich unglaublich gut geschlafen. Nach dem Frühstück bedanke ich mich artig bei meinen Gastgebern und fahre zurück nach Kochkor.
Prinzipiell bin ich bei «Touri trifft Local» Geschichten stets sehr skeptisch eingestellt. Ist es richtig, dass Touristen in diese Kulturen eindringen bzw. ist das wirklich noch deren Tradition oder alles nur Show? Bei der Familie am Song-Kul bin ich mir ziemlich sicher, dass mir nichts vorgegaukelt wurde und sie ihr traditionelles Dasein als Nomaden noch leben. Aber sicherlich deutlich moderner als ihre Vorfahren es taten.