Eine Runde um den Yssykköl

Kirgisistans Urlaubsregion

Kirgisistan | Juli 2014

Der auf 1.600 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Yssykköl ist, nach dem der Titicacasee in Südamerika, der zweitgrößte Gebirgssee der Erde. Er ist 189 km lang, 60 km breit und bis zu 668 Meter tief. Trotz einer Lufttemperatur von bis zu −20 °C im Winter, gefriert der See nie zu. Dies liegt vermutlich an seinem hohen Salzgehalt, der großen Tiefe oder aufgrund warmer Quellen am Seegrund. Während der Zeit der UDSSR wurde der Ysskyköl vom sowjetischen Militär zum Testen von Torpedos genutzt. Demzufolge waren große Areale militärische Geheim- und Sperrzonen.

Cholpon-Ata

Vom zentralen Busbahnhof in Bishkek fahre ich mit einer Marshrutka (Minivan, ähnlich dem Colectivo in Lateinamerika), in den direkt am See gelegenen Badeort Cholpon-Ata. Kaum ausgestiegen, werde ich von «Schleppern» umlagert. Da ich überhaupt keine Ahnung habe, wo ich unterkommen kann und mir der Ort sehr weitläufig erscheint, steige ich in das Taxi (uralter VW Passat) zweier sympatisch wirkender, junger Typen ein. Als ich das Wort «Wifi» erwähnte, fuhren sie mich über sandige Pisten, von einem Guesthouse zum nächsten. Ich landete schließlich im «Alinur Guesthouse», welches von einer netten kirgisischen Familie betrieben wird. Die Chefin und deren Tochter sprechen recht gutes englisch und überredeten mich zwei Nächte zu bleiben. Das Wifi funktionierte natürlich nicht, was aber auch nicht so tragisch war. Viel schlimmer war die enorme Entfernung zum Ortskern.

Cholpon-Ata Blick auf Cholpon-Ata am Yssykköl.

Bereits während der Sowjetzeit war Cholpon-Ata ein beliebter Badeort. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Hotels, Sanatorien und Gästehäuser. Wegen des verlässlich warmen Sommerwetters erfreut sich der Ort auch heute noch großer Beliebtheit bei Touristen aus Kirgisistan, Kasachstan und Russland. Rimini in Kirgisistan, so möchte ich den Ort einmal beschreiben. Tagsüber liegen die Massen wie Ölsardinen an den Stränden, fahren Jetski oder lassen sich von Animateuren zu einem Tagesausflug ins Umland überreden.

Cholpon-Ata Badespaß in Cholpon-Ata.

Abends ist dann Livemusik mit Tanz angesagt. «You’re my heart, you’re my soul» von Modern Talking ist hier immer noch ein Dauerbrenner. Doch dann werde ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück versetzt. Viele Gebäude sind heruntergekommen, die Bürgersteige durchlöchert und aspaltierte Straßen eher die Ausnahme. Um anspruchsvollere Gäste aus dem Ausland anzuziehen, wären erhebliche Modernisierungmaßnahmen notwendig. Im Großen und Ganzen doch mehr Kirgisistan als Rimini.

Karakol

Nach zwei Tagen «Badespaß» ziehe ich weiter nach Karakol, die administrative Hauptstadt des Gebiets Yssykköl. Die Stadt liegt ungefähr 5 km südlich des östlichen Endes des Sees und gilt als Ausgangsstation für Touren ins Tian Tschan Gebirge. An Sehenswürdigkeiten bietet die Stadt eine hölzerne Moschee, die von «Dunganen» (muslimisch-chinesische Minderheit, die in Zentralasien lebt) vollständig ohne metallene Nägel errichtet wurde und eine ebenfalls hölzerne orthodoxe Kirche.

Karakol Orthodoxe Kirche in Karakol.

Ansonsten ist Karakol eine Stadt, die man nicht gesehen haben muss. Deshalb wollte ich nach meiner Ankunft auch gleich wieder abfahren. Doch dann fand ich das kleine «Hotel Madanur», das mich überzeugte drei Nächte in Karakol zu verbringen. Madina, die Chefin, ein sauberes Zimmer, gutes Wifi, ein reichhaltiges Frühstück und die typisch kirgisischen Manty (gedämpfte Nudeltaschen mit Fleisch und Gemüse) machen diesen Ort zu einer Oase in einer ansonsten trostlosen Stadt.

Jeti Öhgüz

Für eine mehrtägige Trekkingtour fehlte mir die Motivation. Deshalb unternahm ich lediglich einen Tagesausflug nach Jeti Öhgüz, um ein wenig die Bergwelt zu erkunden. Nach zähen Verhandlungen fahre ich von Karakol mit einem Taxi zum Sanatorium, etwa 11 km hinter dem eigentlichen Ort Jeti Öhgüz gelegen. Hier traffen sich seinerzeit der kirgisische Präsident und Boris Jelzin, um über die Unabhängikeit Kirgisistans zu verhandeln.

Jeti Öhgüz Die sieben Bullen in Jeti Ögüz.

Ohne großartig nachzudenken, lief ich einfach los. Nach einer Stunde des Wanderns, wunderte ich mich, warum mir außer Pferden und Schafen niemand entgegenkommt. Ich machte kehrt und ging zurück zum Sanatorium, von wo ich einen zweiten Anlauf, in Richtung des «Tal der Blumen» unternahm. Das Blumenmeer ist leider nur im Mai zu bestaunen. In den Sommermonaten werden die Weiden des Tals von zahlreichen «Yurt Camps» genutzt.

Jeti Öhgüz Wanderung durch die Berge bei Jeti Ögüz.

Ich treffe einen Jungen, der mir entgegengeritten kamm und dessen Familie solch ein Camp betreibt. Er versucht mich zum Bleiben zu überreden. Wenn mein Gepäck nicht in Karakol gewesen wäre und ich nicht ohnehin eine Übernachtung in einer Jurte in Planung gehabt hätte, wäre ich auf sein Angebot eingegangen.

Tamga

Zu guter Letzt statte ich dem pittoresken Tamga einen Besuch ab. Die 100 km lange Strecke von Karakol hierher, lege ich wieder mit einer Marshrutka zurück und zahle dafür lächerliche 100 Som (1,40 Euro).Ich hatte vorab einen Bericht auf einem amerikanischen Reiseblog gelesen und mich spontan für einen Zwischenstop in diesem Ort entschieden. Hier ist das Leben deutlich entspannter als in den hektischen Cholpon-Ata und Karakol.

Tamga besteht lediglich aus zwei richtigen Straßen, an denen sich mehrere Tante Emma Läden und eine Apotheke befinden.

Tamga Das Dorf Tamga.

Außerdem verfügt der Ort, wie fast jeder am Yssykköl, über ein Sanatorium samt schöner Parkanlage, in der ich diese Zeilen verfasse. Tamga ist leider kein Geheimtipp mehr, als welcher er noch in dem Blogartikel tituliert wurde. Mittlerweile gibt es 4 Gasthäuser. Ich checke im «Askar & Tamara Guesthouse» ein, welches von einem älteren kirgisischen Ehepaar betrieben wird. Tamara spricht ausgezeichnet englisch und Askar sogar etwas deutsch. Da meine Zeit in Kirgisistan langsam abläuft, konnte ich leider nur eine Nacht bleiben.

Die Gegend um den Yssykköl ist das Touristenmagnet Kirgisistans, wobei man sich darunter nicht den uns bekannten Pauschalurlaub vorstellen darf. Dafür ist die Infrastruktur viel zu marode bzw. gar nicht vorhanden. Mir persönlich hat die Südseite des Sees deutlich besser gefallen als das Nordufer. Die Gegend hätte großes Potential. Vom Bade-, über Wander- bis hin zum Skiurlaub im Winter, all das bietet Yssykköl. Aber eigentlich ist es doch gut so, wie es ist.