Voller Vorfreude begebe ich mich zu den Kalksinterterrassen von Pamukkale. Ich ziehe meine Schuhe und Strümpfe aus und krempele die Hosenbeine hoch. Warmes Thermalwasser rinnt über meine Füsse, während ich auf dem Sinterkalk den Anstieg hinaufeile. Bereits am Nachmittag des Vortages konnte ich den schneeweißen Berg von unten bestaunen. Ich befinde mich nicht im Alpenvorland zur Schneeschmelze, wie man vermuten könnte, sondern in der Türkei im Spätsommer.
Die vielen Menschen, die es mir gleichtun, interessieren mich in diesem Moment nicht die Bohne. Ich bin völlig fokusiert auf die Sinterterrassen, deren Wasser im Sonnenlicht in den unterschiedlichsten Blautönen glänzen soll. Als ich oben ankomme und die ersten leeren, trogähnlichen Kalkformationen sehe, kommen erste Zweifel in mir auf.
So wie in meiner Vorstellung und auf den Ansichtskarten abgebildet, sieht es hier aber nicht aus. Nachdem ich das Plateau abgelaufen bin, macht sich schließlich Enttäuschung breit. Nur noch wenige Sinter führen Wasser.
Die meisten Bereiche liegen trocken, einige sehen zudem verschmutzt aus.
Was ist hier los, was war passiert? Ist die Quelle versiegt oder ist etwa gerade Trockenzeit in Pamukkale? Die Antwort ist einfach, wie ich später herausfinden sollte. Umweltsünden vergangener Jahrzehnte, auf welche die Natur empfindlich reagiert hat. Es wurden mehrere Hotels und eine Straße quer durch das Naturphänomen gebaut. Die Ferienanlagen zapften die Thermalquellen an. Teils wurde Schmutzwasser zurück auf die Terrassen geleitet. Außerdem haben überall herumtrampelnde und badende Touristen den Kalkstein schwer beschädigt. Folge: Aus Weiß wurde Grau. Daraufhin haben die Verantwortlichen reagiert. Die Hotels wurden abgerissen und seit 20 Jahren ist auch Schluss mit dem wilden Baden in den Naturbecken. Als Ersatz wurden künstliche Betonpools angelegt, in denen man im Schweiße seines Beckennachbars plantschen kann.
Das Begehen der Anlage ist streng reguliert. Allerorts stehen mit Trillerpfeifen ausgerüstete Aufpasser, die sobald ein Besucher vom Wege abkommt, energisch davon Gebrauch machen. Seit diesen Maßnahmen strahlen die Kalksinterterrassen von Pamukkale zwar wieder weiß, doch der Glanz vergangener Tage ist vorbei. Die Natur hat sich bis dato nich vollständig regeneriert. Viele Quellen scheinen immer noch nicht zu sprudeln. Ob sich dieses Naturwunder, angesichts des täglichen Besucheransturms, jemals ganz erholen wird, wage ich zu bezweifeln. Hätte ich mich vorab über die Verhältnisse vor Ort informiert, wäre ich bestimmt nicht nach Pamukkale gefahren. Mir wäre eine große Enttäuschung erspart geblieben.