Im Libanon

Land zwischen Krieg und Frieden

Libanon | Juni 2015

Es ist früher Morgen, die Sonne geht gerade auf. Ich befinde sich im Landeanflug auf Beirut. Durch das Fenster blicke ich auf ein riesiges Häusermeer, welches sich entlang der schmalen Levanteküste erstreckt, bis weit die angrenzende Bergkette hinauf. Was würde mich dort unten wohl erwarten, in dem Land, das man eigentlich nur durch Negativschlagzeilen aus den Nachrichten kennt? Ein Krisenherd, Krieg, Autobomben und Terroristen - all das wäre vorstellbar, hat man mich gewarnt. Doch daran will ich in diesem Moment nicht so recht denken. Zu groß ist die Vorfreude und Neugierde auf die «Schweiz des Nahen Ostens», ein Land, das mich schon immer «brennend» interessiert hat.

Beirut

«Was ich im Libanon will?», fragt mich die durchaus sympathisch wirkende Beamtin bei der Passkontrolle. Diese Frage wird einem häufig bei der Einreise gestellt, doch ist es diesmal irgendwie anders. Ich zögere, denke nach, weiß nicht so genau, was ich ihr antworten soll. Erst jetzt bemerke ich, dass ausschließlich Araber um mich herumstehen. Es scheint nicht allzu oft vor zukommen, dass sich westliche Touristen in dieses Land verirren. Erst recht nicht, seit im Nachbarland Syrien Krieg herrscht. Noch bevor ich ein zaghaftes «Tourism» herausbringe, stempelt sie meinen Pass ab und lächelt mir ein «Welcome to Lebanon» zu.

Ich setze mich in eines dieser uralten Mercedes-Taxis und fahre vom Flughafen nach Downtown Beirut, wo ich ein Zimmer im «Talal Hotel» reserviert habe. Hundemüde lege ich mich schlafen und werde erst wieder wach als Christian, mit dem ich die nächsten Tage Stadt und Land erkunden sollte an die Zimmertür trommelt.

Vor dem Bürgerkrieg, der 15 lange Jahre im Libanon wütete und dessen Motive so kontrovers diskutiert werden, galt Beirut als «Paris des Nahen Ostens». Vage erinnere ich mich an die Berichte der Tagesschau aus den 1980ziger Jahren. Arabische Nationalisten und prowestliche Christen lieferten sich damals erbitterte Straßenschlachten und Häuserkämpfe. Dazu gesellten sich syrische Interventionstruppen und die PLO. Moslems gegen Christen, Moslems gegen Moslems, Christen gegen Christen, jeder gegen jeden. Am Ende das totale Chaos und 90.000 Todesopfer.

Heute scheint Beirut eine moderne und konfessionell vielfältige Metropole zu sein. In der Innenstadt wurden die Spuren der Vergangenheit größtenteils beseitigt. Im Hafenviertel wachsen gläserne Wolkenkratzer in den Himmel. An der langen Strandpromenade Corniche spazieren verhüllte Muslime neben Frauen mit Miniröcken und Paare zeigen ihre Zuneigung ohne Scheu. Das kommerzielle Zentrum der Stadt, die sogenannten Souks mit ihren Arkaden, hat man aufwendig restauriert. Sie vermitteln wieder französisches Flair. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Libanon zum Protektorat Frankreichs erklärt. Viele Libanesen, besonders die Oberschicht, sprechen französisch und identifizieren sich mit dem «Savoir-vivre». Mondän ist es hier: schicke Cafes, Luxusboutiquen a lá Hermés, Gucci und Versace geben sich die Klinke in die Hand.

Souks Beirut Die restaurierten Beirut Souks.

Am «Platz der Märtyrer», der zu Kriegszeiten die Front zwischen den Konfliktparteien bildete, stehen gelbe Ferraris im Schaufenster. Direkt daneben ruft der Muezzin zum Gebet in die «blaue Moschee». Ihr gegenüber befindet sich die «St. Georges Kathedrale», die älteste Kirche der Stadt. Im angrenzenden Partyiertel Gemmayzeh schleichen aufgemotzte Geländewägen mit laut aufgedrehter arabischer Popmusik über den Asphalt. Nach Sonnenuntergang feiern Christen, Sunniten, Schiiten und Drusen in der «Rue Gouraud» friedlich zusammen. Hier scheint man die Lektionen aus dem Bürgerkrieg gelernt zu haben.

Blaue Moschee Beirut Blick auf die Blaue Moschee von der «Rue Gouraud» im Stadtteil «Gemmayzeh».

In den südlichen Stadtgebieten, in denen etwa die Hälfte der 2 Millionen Einwohner der Stadt leben, ist von der Extravaganz des Nordens nur wenig zu spüren. Es herrscht Armut, Chaos und Anarchie. Hier leben hauptsächlich Schiiten und die Hisbollah hat sich als Autorität durchgesetzt. Lärm, tosender Verkehr, unzählige Straßenstände und fliegende Händler, ein typisch orientalisches Stadtbild. Aber da sind auch die vielen vom Kugelhagel zersiebten Wohngebäude, die mich fragen lassen, aus welchem Krieg diese Spuren der Zerstörung stammen? Immer wieder brodeln die alten Konflikte auf, werden Bombenanschläge und Attentate auf Politiker verübt. So ist es nicht verwunderlich, dass überall im Stadtgebiet Checkpoints errichtet wurden, an denen Panzer und Wachposten mit Maschinengewehren im Anschlag stehen. Die Alarmbereitschaft ist offensichtlich.

Wachposten Beirut Wachposten der Armee im Stadtzentrum von Beirut.

Nach drei Tagen in Beirut wollen wir mehr vom Libanon sehen. Mit einem «Servees-Taxi», einer Art Sammeltaxi, fahren wir zur «Cola Busstation». Wir versorgen uns am Straßenrand mit frisch gepresstem Orangensaft und sitzen wenig später dicht gedrängt in einem alten Minibus mit Destination Baalbek. Innerhalb von 15 km geht es durch gesichtslose Vorstädte, steile Serpentinen hinauf. Die Millionenstadt Beirut bleibt unter einer Dunstglocke zurück.

Baalbek

Die Bekaa-Ebene, ein Hochplateau des Libanongebirges, ist das landwirtschaftliche Zentrum des Landes - vielfältig und kontrovers, wie der gesamte Libanon. Wir passieren Obst- und Gemüseplantagen, sogar Wein wird hier oben angebaut. Muslimisch geprägte Dörfer wechseln sich mit christlichen ab. Zwischen den Siedlungen stehen immer wieder Zelte mit dem Aufdruck «UNHCR», in denen Flüchtlinge hausen. Seitdem in Syrien, dessen Grenze nur wenige Kilometer entfernt liegt, der Krieg wütet, sollen über eine Million Syrer in den Libanon geflohen sein. Bei lediglich 4 Millionen Libanesen, eine wirklich bemerkenswerte Zahl.

Die Checkpoints der libanesischen Armee mehren sich. Verschanzt hinter Sandsäcken versuchen sie den Eindruck zu erwecken, dieses Gebiet nicht ganz aufgegeben zu haben. De facto regiert hier aber die Hisbollah, eine Art Staat im Staate mit eigenem Militär und schweren Waffen. Das Sprachrohr der schiitischen Bevölkerung wurde 1982 zum Kampf gegen die israelische Invasion gegründet. Die «Partei Gottes», wie sie sich selbst bezeichnet, stellt heute ein Dutzend Parlamentsabgeordnete, propagiert den religiösen Pluralismus und setzt sich konsequent für die Einheit des Landes ein.

Kurz vor Baalbek ist es dann soweit. Unser Van wird heraus gewunken und ein grimmig wirkender Soldat mit Maschinengewehr öffnet die Schiebetür. Aufmerksam mustert er die Insassen, bis er uns im hinteren Teil entdeckt. Sein Blick und seine Stimmlage sind militärisch aggressiv. Instinktiv reichen wir ihm unsere Reisepässe, die er Seite für Seite durchblättert. Nachdem unser Handgepäck noch sorgfältig durchstöbert wurde, dürfen wir schließlich weiterfahren.

Auf der Suche nach einem Nachtquartier, laufen wir wenig später durch die Straßen von Baalbek. Über eine steile Treppe betreten wir das «Hotel Shouman», doch niemand erwidert unser «Salam Aleikum». Wir stellen das Gepäck in einen Raum, den wir für die Rezeption halten und setzen uns in ein Straßencafe auf der gegenüberliegenden Seite. Der Blick auf Baalbeks großartigsten Schatz, die über 2.000 Jahre alte römische Tempelanlage mit den drei Haupttempeln für Jupiter, Venus und Bacchus, versüßt uns den schrecklich schmeckenden Cappuccino. Als wir einen Mann beobachten, der im Hotel verschwindet und den Anschein macht er könnte der Besitzer sein, eilen wir ihm nach. Wir beziehen das Eckzimmer mit kleinem Balkon und direktem Ausblick auf die Tempel.

Tempel Baalbek Blick auf die Tempelanlage von Baalbek.

Christian wird von der Schlafkrankheit überwältigt und ist erst am nächsten Morgen wieder ansprechbar. Ich verspüre Hunger und so begebe ich mich alleine auf einen Streifzug durch das nächtliche Baalbek. Schnell bemerke ich, dass die Menschen hier nicht viel zu lachen haben. Ich blicke in eher nachdenkliche, traurige Gesichter, vereinzelt gepaart mit einer gewissen Aggressivität in den Augen. Syrienkonflikt, Flüchtlinge, politische Instabilität, das Fernbleiben westlicher Touristen und die dadurch steigende Arbeitslosigkeit, machen das Leben in dieser Region besonders schwer. Die Geschäftsleute auf der Hauptstraße versuchen mir suspekte Souvenirs mit Hisbollah-Symbolen anzudrehen. Flaggen, T-Shirts - alles grün auf gelbem Grund, in der Mitte ein Kalaschnikow-Sturmgewehr, der Koran und arabische Schriftzeichen. Rückblickend möchte ich mir gar nicht ausmalen, wie meine ohnehin schon schwierige Einreise nach Israel verlaufen wäre, hätte ich hier auch nur ein einziges Andenken gekauft.

Am nächsten Tag stehen wir an der nördliche Ausfahrtsstraße in Baalbek. Ziel ist es irgendwie in die Ortschaft Bcharré zu gelangen, ohne dabei den langen Umweg über Beirut nehmen zu müssen, wie es der Reiseführer empfiehlt. Diverse Taxifahrer scheuen sich die Fahrt anzutreten, da der Pass angeblich zugeschneit sei. Mitten im Hochsommer, eher unwahrscheinlich. Sie fürchten vielmehr ihre alten Karren würden die Anstiege über das Libanongebirge, das immerhin Höhen von mehr als 3.000 m erreicht, nicht überleben. Unsere Verhandlungen wecken die Aufmerksamkeit eines Mannes mit grauem Haar und dickem Bauch. Er ruft uns zu sich in seinen Laden und bietet uns Tee an. Sein Name ist «Mosem», Englisch habe er in den USA gelernt und auch sonst vermittelt er den Eindruck eines Mannes von Welt. In seinem Import-Export Geschäft für Altkleider steht nicht viel mehr als ein kleiner Schreibtisch. Wir unterhalten uns nett und erklären ihm unser Anliegen. Schließlich nimmt er das Zepter in die Hand und verhandelt mit den Taxifahrern. Einer erklärt sich bereit in das 20 km entfernte Dorf «Deir Al Ahmar» zu fahren, von wo uns jemand anderes nach Bcharré mitnehmen würde. Zufrieden über diesen Teilerfolg willigen wir ein. Mosem greift in seine Hosentasche und zieht ein dickes Bündel mit Dollarscheinen raus. Wir lehnen ab, doch er bestand darauf die Fahrt zu bezahlen.

Über das Libanongebirge nach Bcharré

Hektisch steuert der Taxifahrer sein gebrechliches Gefährt durch «Deir Al Ahmar». Immer wieder hält er an, steigt aus, fragt nach, telefoniert aufgeregt. Wir vermuten, er versucht unsere Weiterfahrt zu organisieren. Vor einem Haus in einer Seitenstraße wird er schließlich fündig. Wir steigen in den Wagen eines blondes Libanesen. Er sei Christ und arbeitet beim Militär, erzählt er stolz. Zu unserer Überraschung endet auch diese Mitfahrgelegenheit früher als erwartet. Bereits nach wenigen Kilometern werden wir an einem Straßenkontrollposten der Armee abgesetzt. Wir sollen hier auf einen Anschluss warten, gestikuliert der Blondschopf. Ich möchte mich erkenntlich zeigen und reiche ihm ein paar Scheine zum Dank, die er vehement ablehnt.

Ob hier oben, an diesem gottverlassenen Außenposten heute wirklich noch jemand vorbeikommen mag? Nach der unangenehmen Erfahrung des Vortages, gesellen wir uns etwas zögerlich zu den Soldaten - eine Handvoll, mehr mögen es nicht sein. Doch heute begegnet man uns freundlich, ist sogar zu Scherzen aufgelegt. Und tatsächlich sehen wir nach kurzer Wartezeit einen Kleinbus die Serpentinen erklimmen. Einer der Soldaten hält den Bus auf, kurzer Smalltalk mit dem Fahrer und ehe wir uns versehen sitzen wir in einem Vehikel, indem eigentlich gar kein Platz mehr frei war. Wir teilen uns die Sardinenbüchse mit zehn, zum Teil stattlich gebauten Soldaten (andere Personengruppen scheint es in dieser Gegend nicht zu geben). Regungslos eingequetscht fällt es mir schwer die Landschaft zu genießen. Angesichts der abrupten Fahrweise sowie der kurvenreichen Strecke muss ich mich zudem darauf konzentrieren, die zum Frühstück verdrückte arabische Pizza nicht an meinen Nachbarn zu übergeben. Immer wieder geht es unter ohrenbetäubenden Motorlärm langsam bergauf, um dann umso schneller die natürliche Antriebskraft auf den Abfahrten zu nutzen. Wir überqueren mehrere Pässe und fahren durch einen lichten Zedernwald, jener Baum, der das Staatswappen des Libanon ziert und dessen Holz bereits die Phönizier zum Schiffbau nutzten. Durch Abholzung und Klimawandel steht die Zeder heute auf der «roten Liste» und ist vom aussterben bedroht.

In Bcharré leben hauptsächlich Christen, genauer gesagt «Maroniten», eine christliche Glaubensgemeinschaft, die sich hier bereits im 7. Jahrhundert niedergelassen haben. Während des Bürgerkrieges war der Ort eine Bastion des Widerstands gegen muslimische Kräfte. Gleich mehrere Kirchen schmücken den kleinen Ortskern. An der Hauptstraße befinden sich ein paar Geschäfte des täglichen Bedarfs, dazwischen immer mal wieder ein zerfallenes Haus. Friedlich und ruhig wirkt Bcharré, kein Vergleich zu Baalbek. Den Abhang hinauf gebaute Hotelanlagen sind ein Indiz dafür, dass hier der Tourismus eine große Rolle spielen muss. Im Sommer lädt das «Wadi Qadischa» mit seinen vielen Klöstern zu Wanderungen ein. In den Wintermonaten kommt der alpinfreudige Libanese zum Skifahren in diese Region.

Bcharré Der überwiegend christlich geprägte Ort Bcharré im Qadischa-Tal.

Jetzt hat auch mich die Schlafkrankheit ereilt. Die Symptome: Müdigkeit und Antriebslosigkeit sind zwar harmlos, verhindern dennoch größere Aktivitäten. Wir verbringen deshalb viel Zeit auf der Terrasse unserer Unterkunft, dem «Bauhaus Motel». Auch nach intensiver Suche konnte ich weder Stilelemente des Bauhaus, noch Charakteristika eines Motels an dem Gebäude ausfindig machen. Der Besitzer, ein Maronit und eifriger Geschäftsmann, betreibt zusätzlich noch einen Friseursalon, welcher sich praktischerweise im selben Haus befindet und in dem er selbst zur Schere greift. Amüsant beobachten wir ihn, als er einen Tag lang ein softwaregesteuertes Leuchtreklameschild - Made in China - am Terrassengeländer montieren lässt. Grell aufblinkendes Neonlicht, weit sichtbar für potentielle neue Gäste, das bei Dunkelheit zudem das halbe Dorf erleuchtet. Zumindest hatte jetzt das Bauhaus etwas mehr von einem Motel.

An der Levanteküste

Die Levanteküste steckt voller Geschichte und kultureller Errungenschaften. An ihr befinden sich gleich vier der zwölf ältesten Städte der Welt. Erst waren es die Phönizier, die im Altertum in dieser Gegend lebten und von hier den gesamten Mittelmeerraum kolonisierten. Später kamen Perser, Römer, Kreuzfahrer, Türken, Araber und dazwischen etliche andere. Heute schlängelt sich eine stark befahrene Autobahn zwischen den Landesgrenzen zu Israel und Syrien. Die Urbanität nimmt an diesem rund 250 km langen Küstenstreifen nie wirklich ab.

Das antike «Sidon», auf arababisch Saida, ist eine dieser alten Städte. Von Beirut kommend erreicht man Saida über eine breite, von Palmen gesäumte Straße. Schon von weitem erblickt man das Seekastell aus der Kreuzfahrerzeit. Die Altstadt bietet mit ihren Souks, Karawansereien und mittelalterlichen Ruinen eine Fülle von Eindrücken. Noch weiter südlich liegt das phönizische Tyros, die «Königin der Meere», eine Inselstadt von ungeahnter Pracht. Der blühende Seehandel machten Tyros zu einer wohlhabenden Stadt, deren Reichtum wiederum die Begehrlichkeit mächtiger Eroberer erregte, unter ihnen König Nebukadnezar von Babylon und Alexander der Große.

Saida Altstadt von Saida

Ungeachtet dessen schlagen wir unsere Zelte, im wahrsten Sinne des Wortes, auf einem Campingplatz mit Mittelmeerflair auf. Der Aufbau eines klassischen Zeltes blieb uns allerdings erspart. Vielmehr übernachten wir in einem sogenannten «Tengalow», einem Zelt aus Beton mit Holzdach. An den Seiten zwei Betten und in der Mitte eine viel zu kleine Nasszelle. Die Tengalows erfreuen sich besonders großer Beliebtheit bei der libanesischen Jugend, die hier ihre amourösen Bedürfnisse im Stundentakt ausleben können.

Camping Byblos Tengalow auf einem Campingplatz in Byblos.

Von Byblos, wie der altertümliche Name des heutigen «Jbeil» lautet, trennt uns nur ein strammer Fußmarsch. Hier wurde die «Byblos-Schrift» entwickelt, Phöniziens bedeutendste kulturelle Errungenschaft. Eine Buchstabenschrift, die als reine Konsonantenschrift konzipiert war und später die Grundlage sowohl der griechischen als auch der lateinischen Schrift bildete. Über Tomatenfelder und entlang kleiner Badebuchten gelangen wir zum alten Hafen, aus dem einst Zedernholz und Papyrus verschifft wurde. Weinverkostungen, Kunsthandwerkstände und teure Fischrestaurant, wie man sie auch an der Côte d'Azur antreffen könnte, sind die Errungenschaften der Neuzeit.

Hafen Byblos Blick auf den alten Hafen von Byblos.

Es sind vorrangig die rund 15 Millionen im Ausland lebenden Libanesen, die sich diesen Lebensstil auf ihren Heimatbesuchen leisten können. Ihre Geldtransfers halten den Staatsapparat auch außerhalb der Ferienzeit am Laufen. Wie sonst lassen sich die zahlreichen Luxusimmobilien und teuren Autos in einem Land erklären, in dem die einfache Bevölkerung hauptsächlich von der Landwirtschaft lebt und Industriebetriebe Mangelware sind?

Die religiöse und kulturelle Vielfalt des Libanon ist so breit gefächert, wie ich es selten auf meinen Reisen erlebt habe. Aufgrund seiner vergleichsweise freizügigen Gesellschaftsordnung und seines Modells der politischen Machtteilung, gilt der Libanon als Vorbild für andere Länder in der Region. Seit dem Ende des Bürgerkrieges muss laut Verfassung das Staatsoberhaupt ein Christ, der Parlamentspräsident ein schiitischer und der Regierungschef ein sunnitischer Muslim sein. Nur die Drusen bleiben außen vor. Das vermittelt den Eindruck, als würden die verschiedenen Konfessionen friedlich zusammenleben. Gleichwohl kommt es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen zwischen den Volksgruppen. Konfliktpotential bieten zudem syrische Flüchtlinge und Palästinenser, die in Lagern ein erbärmliches Dasein fristen. Das Konstrukt ist fragil, die politische Stabilität des Landes ständig in Gefahr. Hoffnung machen die Parteilosen, die einfach nur in Frieden leben wollen und deren Anzahl stetig zunimmt. Möge sich ihr Wunsch dauerhaft durchsetzten - Insh’Allah!