Ein offener Brief an Fidel Castro

Viva la Revolución!

Kuba | Juli, August 2012

Lieber Fidel,

mehr als 45 Jahre hast Du Kuba als Staatschef regiert und wurdest damit der am längsten amtierende Staatsmann der Weltgeschichte. Zusammen mit einer Horde Gleichgesinnter hast Du Dir die Führung als Guerillero der «Bewegung des 26. Juli» blutig erkämpft. Kaum warst Du an der Macht, hast Du Industrie und Landwirtschaft verstaatlicht und die Planwirtschaft eingeführt. Revolución total!

Fidel Castro Fidel Castro - stets siegessicher.

Dieses antikapitalistische Handeln hat Deinen US-amerikanischen Freunden gar nicht gefallen. Und als Du den Russen auch noch die Stationierung ihrer Mittelstrecken-Raketen auf Kuba erlaubt hast, stand die Menschheit kurz vor einem Atomkrieg. Gott sei Dank konnten sich die Weltmächte doch noch friedlich einigen. In den Folgejahren konntest Du, völlig isoliert von der westlichen Welt, den Kommunismus «perfektionieren» und Dein Land in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Wer konnte, hat das Land während Deiner Regentschaft verlassen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion löste auf Kuba eine große Wirtschaftskrise aus. Trotzdem rebellierte nur ein kleiner Teils der «Zurückgebliebenen». Zumindest hast Du eingesehen, dass es nicht völlig ohne Kapital geht. Der Tourismus wurde weiter ausgebaut und ausländische Investoren wurden vermehrt ins Land gelassen. Aufgrund einer schweren Erkrankung hast Du vor 6 Jahren Deine Funktionen als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Präsident von Staatsrat und Regierung an Deinen, nur um wenige Jahre jüngeren Bruder Raúl abgegeben.

Fidel und Raul Castro Die Brüder Fidel und Raul Castro.

Die Politik im Land hat sich dadurch aber kaum geändert. Ich bin mir sicher, dass Du im Hintergrund immer noch die ein oder andere Strippe ziehst. Mit China und Señor Chávez hast Du neue Freunde gefunden. Besonders Chávez, der Dich häufig am Krankenbett besucht, steht Dir sehr nah. Ohne dessen Öl würden bei Dir die Lichter ausgehen. Im Gegenzug hilfst Du ihm in Venezuela den Kommunismus aufzubauen. Eine Hand wäscht die andere.

Von Meinungsfreiheit hältst Du immer noch nicht viel, lässt sie vielmehr von staatlicher Seite beschneiden. In Gesprächen mit Einheimischen konnte ich die Vorsicht bei der Wortwahl spüren. Bloß nicht das Wort gegen das Regime erheben! Die Arbeitsmoral Deiner Landsleute kann ungeduldige Touristen schon mal auf die Palme bringen. Man arbeitet langsamer und meist unmotivierter als Hierzulande. In einem System, in dem sich niemand anstrengen muss, da es im Prinzip keine Aufstiegschancen gibt, nur zu menschlich. Die Armut in Kuba ist nicht unter den Teppich zu kehren. Vor allem ältere Menschen sind davon betroffen. Da helfen auch die «Libretas», staatliche Läden über die Lebensmittel verteilt werden, nur wenig. Es herrscht ein deutliches Gefälle zwischen denen, die «den Feind in der Tasche haben» und jenen, denen nur der Peso zur Verfügung steht. Ohne die Dollardevisen der Exilkubaner wäre Kuba in noch viel größerer Not. Im Großen und Ganzen hatte ich aber nicht den Eindruck, dass es Deinen Bürgern richtig schlecht geht. Jeder hat irgendwie Arbeit, keiner muss Hungern, alle haben ein Dach über dem Kopf, Drogen- und Alkoholmissbrauch scheint es bei Dir nicht zu geben. Für das kostenlose Bildungs- und Krankenversicherungssystem beneidet Dich ohnehin die halbe Welt.

Fidel Castro Hat der Sozialismus auf Kuba gesiegt?

Fidel, ich bin wirklich froh, dass ich Kuba noch zu Deinen Lebzeiten bereisen durfte. Dein «Modell Kuba» zu beurteilen, werde ich mir nicht anmaßen. Ich rechne Dir aber hoch an, dass Du einer der wenigen Politiker bist, der konsequent den täglichen Mord, Hunger und die mangelnde medizinische Versorgung in der Welt anklagt und die herrschende Weltordnung offen und schonungslos kritisiert. Wer weiß, wie sich das Land nach Deinem Ableben entwickeln wird? Ich jedenfalls hoffe, in eine bessere Zukunft als die Gegenwart vermuten lässt.

Dein Kubabegeisterter,

Daniel