Die Taxifahrt von Kashan nach Abyaneh führt durch eine wüstenähnliche Landschaft. Zu beiden Seiten der Straße gibt es kilometerweit nur armseliges Gestrüpp, dahinter kahle Berge. Nach einer Stunde Fahrzeit verlassen wir die Autobahn und biegen auf eine Nebenstraße ab. Plötzlich sehe ich Flugabwehrgeschütze. Es handelt sich um die unterirdische Urananreicherungsanlage «Natanz», die sich nur wenige Meter abseits der Straße befindet. Fotografieren ist natürlich strengstens verboten. Mein Fahrer grüßt huppend die am Straßenrand patrouillierenden Soldaten, während er mit einem Affenzahn an ihnen vorbeirauscht. Sämtliches Militärgeschütz macht auf mich den Eindruck, als stamme es noch aus dem 1. Golfkrieg in den Achtzigerjahren. Alle Iraner, mit denen ich mich in den letzten Wochen über diese Anlage unterhalten habe, gehen fest davon aus, dass der Iran an einer Atombombe bastelt. Einige sind sogar der Meinung, sie würde bereits existieren.
Dann geht es vorbei an Granatapfelsträuchern, in die immer rötlicher werden Berge. Schließlich erreichen wir das beschauliche Dorf Abyaneh, das am Fuße eines fast 4.000 Meter hohen Berges liegt.
Das 1.500 Jahre alte Bergdorf ist ein ganz besonderer Ort im Iran. Es ist eines der wenigen verbliebenen Gebiete des Landes, in dem noch das alte Mittelpersisch gesprochen wird. In den verwinkelten Gassen, treffe ich ein paar alte Männer mit Gehstöcken. Junge Menschen sieht man kaum. Das Gros der Bevölkerung besteht aus alten Frauen. Sie tragen weiße Kopftücher mit Blumenmustern und bunte Umhänge, wodurch sich ihre Kleidung deutlich vom Rest des Landes unterscheidet.
Neben den alten Weibern sind die roten Lehmhäuser, von denen viele leer stehen, das Markenzeichen von Abyaneh. Sie wurden traditionell aus einem Fachwerkgefüge mit vorgelagerten Holzbalkonen, Lehm und beigemischtem Stroh errichtet.
Die Türen der Häuser schmücken oftmals Verzierungen und eingravierte Gedichte. Viele haben die im islamischen Iran so typischen, geschlechtspezifischen Türklopfer. Damit nicht versehentlich ein Mann einer Frau oder, was noch schlimmer wäre, eine Frau einem männlichen Besucher die Türe öffnet, gibt es je einen Türklopfer für Männlein und Weiblein. Die Frauen müssen mit dem Ring und die Männer mit dem Stab um Einlass bitten.
Abyaneh wirkt noch sehr authentisch. Auch wenn so manch‘ altes Weib bereits einen Laden für Handwerkskunst eröffnet hat, liefen mir bei meinem Besuch nur wenige Touristen über den Weg. Nachdem ich mehrere Male die steilen Wege des Dorfes auf- und abgelaufen bin, stieg ich in mein Taxi und fuhr weiter nach Esfahan.