Sie sind laut, uralt und unglaublich robust, donnern über Stock und Stein und eine Fahrt mit ihnen kann, aufgrund bemerkenswerter Fahrstile einiger Fahrer, auch nicht ganz ungefährlich sein. Dennoch, wer durch Mittelamerika reist kommt an ihnen nicht vorbei. Chicken Busse sind die billigste und häufig einzige Möglichkeit, sich von A nach B zu bewegen. Seinen Namen verdankt der «Hühnchenbus» Landbewohnern, die ihre lebenden Tiere, vor allem Hühner, in diesen Bussen zum nächstgelegenen Markt transportieren. Wer Glück oder Pech hat, kann ein solches Schauspiel noch heute miterleben.
Ausrangierte amerikanische Schulbusse aus den 60ziger Jahren bilden die Basis. Sie wurden in liebevoller Detailarbeit restauriert. Lichterketten, Graffitis und viel Chrome verwandeln die Boliden äußerlich zu wahren Schmuckstücken.
Der Innenraum hingegen ist meist sehr spartanisch. Ungepolsterte Sitzbänke, entweder aus blankem Metall oder Holz, Fenster, die sich nur mit extremem Kraftaufwand öffnen oder schließen lassen und das unermüdliche Brüllen des Motors, lassen längere Verweildauern im Bus nur schwer ertragen.
Auf der Fahrt von Chichicastenango nach Antigua Guatemala traue ich meinen Augen nicht, als ich oberhalb der Windschutzscheibe einen 32 Zoll LCD Fernseher entdecke, auf dem alte amerikanische Filme abgespielt wurden. In Panamá und Belize legt man großen Wert auf eine ordentliche Soundanlage, aus der unaufhaltsam karibische Rhythmen dröhnen.
Die Busse sind häufig in Privatbesitz. Der Fahrer hegt und pflegt sein Gefährt vorbildlich. In jeder Fahrerkabine hängt ein Jesus und klebt ein Emblem des FC Barcelona, wodurch der Fahrer seine zwei großen Lieben dokumentiert. Zur Besatzung zählt neben ihm mindestens ein Schaffner. Er öffnet und schließt die Türen, kassiert den Fahrpreis ab und gibt dem Fahrer Pfeifanweisungen, sobald jemand aus- oder einsteigen will (und das kommt wirklich alle paar Hundert Meter vor). Ferner kümmert er sich um große Gepäckstücke, die er artistisch auf dem Dach verstaut.
Man glaubt ja gar nicht, wie viele Personen und Gepäck in so einen Bus passen. Eigentlich sind sie immer völlig überfüllt, egal in welchem Land, egal zu welcher Tageszeit. Häufig muss man stehen, was bei meiner Körpergröße schon mal zu Genickstarre führen kann. «Topes», auf der Fahrbahn asphaltierte Hügel, die der Geschwindigkeitsreduzierung dienen sollen, sind ein lateinamerikanisches Ärgernis. Sie und Stoßdämpfer, die ihren Namen nicht mehr verdienen, sorgen dafür, das man während der Fahrt besonders kräftig durchgeschüttelt wird. Bei derartigen Straßenverhältnissen würden unsere deutschen Linienbusse wahrscheinlich nach 100 Metern mit Achsbruch liegen bleiben. Nicht so die Chicken Busse.
Und da wären noch die fliegenden Händler. An jedem Busterminal oder längerem Zwischenstopp springen sie auf und zwängen sie sich durch den ohnehin schon überfüllten Bus, in der Hoffnung etwas an den Mann zu bringen. Verkauft wird alles. Getränke, Essen, Pflegeprodukte etc.
In Costa Rica und teilweise auch in Honduras, Belize und Panamá City sind die Chicken Busse bereits von der Bildfläche verschwunden. In Nicaragua, El Salvador und Guatemala gehören sie noch immer fest zum Straßenbild. Nur wie lange noch? Hoffentlich ist der Bus noch nicht abgefahren!